„Ich wäre nicht weggegangen“
So haben Bürger in Wedel die Entschärfung der 250-Kilogramm-Bombe erlebt Bei den meisten Betroffenen herrschte Gelassenheit. Nur neun Rolandstädter nutzten die Notunterkunft.
„Ich wäre nicht weggegangen aus meiner Wohnung. Ich bin 76 Jahre alt und habe mein Leben gelebt. Was soll mir noch passieren?“, sagte Walter Dölling. Der Wedeler, der innerhalb des 500-Meter-Sperrgebiets rund um den Fundort der Bombe an der Kreuzung Industriestraße / Tinsdaler Weg wohnt, hatte das Angebot des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) genutzt, die Zeit während der Entschärfung des amerikanischen 250-Kilogramm-Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg in der Mensa der Gebrüder-Humboldt-Schule (GHS) abzuwarten.
„Wir haben Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen, Liegeplätze eingerichtet und auch einen Bereich für Hunde aufgebaut, was das Ordnungsamt erlaubt hat“, erläuterte Anne Niehaus, Gruppenführerin der Betreuungsgruppe des DRK. Insgesamt zwölf Helfer waren im Einsatz, um die Besucher zu registrieren, Erbsensuppe zu kochen und sich um deren Versorgung zu kümmern. „Es war ein ruhiger Tag“, bilanzierte Niehaus. Gerade einmal neun der etwa 500 in dem Sperrgebiet gemeldeten Wedeler nutzten das Angebot in der GHS.
Mitgenommen: Tickets für Wacken
„Ich bin wegen meiner Kinder hier, damit sie beruhigt sind. Ich hatte keine Lust in einem Restaurant zu sitzen und zu warten“, so Dölling. Sein Sohn Sven nahm die Evakuierung gelassen: „Ich bin da jeden Morgen vorbeigefahren. Man liest davon in der Zeitung, aber nervös gemacht hat mich das nicht.“ Dennoch hatten beide vorgesorgt und Ausweispapiere mitgenommen. „Ich habe alles mitgenommen: Meldebescheinigung, Versicherungen, Ausweise, Rentenbescheid. Wenn das Ding hochgeht, kann ich die Sachen auch mitnehmen.“
Auch Britta Eckert hatte vorgesorgt. „Ich habe meinen Tresor leer geräumt“, sagte sie lachend. Außer Ausweisen habe sie das wichtigste Mitgenommen: „Meine Karten für Wacken und ein Disturbed-Konzert. Nicht auszudenken, wenn die weg wären.“ Trotz guter Laune war die Wedelerin ein wenig angespannt: „Es war ein komisches Gefühl, wenn man da vorbeigefahren ist, nachdem man wusste, da ist eine Bombe. Aber die war ja gesichert.“ Doch könnte die Evakuierung nicht die letzte sein, ist Eckert überzeugt: „Die finden im Business-Park bestimmt noch mehr. Für mich ist es ein Wunder, dass erst jetzt eine Bombe gefunden wurde.“
Während an zwei Tischen ausgiebig geklönt wurde, hatte sich Stephan Koch in eine ruhige Ecke verzogen. „Ich habe nicht gewusst, wohin ich gehen soll. Fürs Fußballgucken war es zu früh und drei Stunden einkaufen hatte ich keine Lust. Das hat meine Frau übernommen“, sagte er. Stattdessen hatte er sich Lesestoff mitgenommen und beantwortete Fragen für eine Fortbildung. „So habe ich meine Ruhe und kann die Zeit sinnvoll nutzen“, sagte Koch. Die Bombenentschärfung in seiner Nachbarschaft ließ ihn ansonsten kalt: „Wir wohnen ganz am Rand des Sperrgebiets. Ich wüsste gar nicht, wann zuletzt eine Bombenentschärfung schiefgegangen ist. Daher mache ich mir keine Sorgen.“
Else Möller hatte sich kurzfristig für einen Besuch bei ihrer Tochter entschieden. „Es ist mal etwas anderes und ich bin ganz gespannt, wie es ausgeht“, sagte die Seniorin als sie am Sonnabendmorgen ihre Tasche ins Auto packte. Das Angebot der Stadt in der GHS habe sie kurz in Betracht gezogen. „Aber ein Familienbesuch ist doch viel schöner“, so Möller. Dennoch lobte sie die Organisatoren der Notunterkunft: „Wedel lässt uns nicht allein.“
Auch Walter Dölling lobte das ehrenamtliche Engagement: „Man muss die Leute, die ihre Freizeit für uns opfern, einfach mal loben. Das Engagement kann man gar nicht hoch genug würdigen. Vor allem, weil es alles freiwillig ist, was sie hier für uns alle tun.“
Quelle: wedel-schilauer-tageblatt, Bastian Fröhlich