Danke, Ursula Kissig!
Die langjährige stellvertretende Vorsitzende des DRK ist verstorben.
"Ach, nun nehmen Sie man erstmal einen Kaffee und ein Stück Kuchen." Diesen Satz habe ich von Ursula Kissig häufig gehört, wenn ich leicht abgehetzt in der DRK-Begegnungsstätte auftauchte, um über eine ihrer Aktionen zu berichten. Was auf den ersten Blick nur nach formell-höflichem Standard klingt, weist auf viel mehr hin. Es ist ein kleines Indiz auf Grundsätzliches in ihrem Wesen: Sie kümmerte sich zunächst um andere und sorgte dafür, dass es ihnen gut ging, bevor sie eigene Anliegen dachte. Ich werde diesen Satz vermissen ebenso wie ihr Lächeln, während sie den Kaffee eingoss und mit beidem für einen Moment der Gelassenheit sorgte. Denn Ursula Kissig lebt nicht mehr. Sie starb jetzt im Alter von 80 Jahren, nur wenige Wochen, nachdem sie unter stehendem Beifall zur DRK-Ehrenvorsitzenden ernannt wurde.
Wer war Ursula Kissig? Die nüchternen Daten: Nach Abitur und höherer Handelsschule ist die gebürtige Paderbornerin 1959 nach Hamburg gezogen. Dort wollte sie eigentlich Pädagogik studieren, hat dann aber eine Laufbahn im öffentlichen Dienst eingeschlagen und zwar bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann Wolfgang kennen, den sie 1969 kennen lernte. Im selben Jahr fand der Umzug nach Wedel statt. Ende Juni 1970 wurde Sohn Michael geboren und die Oberinspektorin Kissig schied aus dem öffentlichen Dienst aus.
1974 wurde der damalige Wedeler Bürgermeister Dr. Fritz Hörnig auf die junge Mutter aufmerksam. Hörnig war DRK-Vorsitzender und suchte jemand, der sich um Senioren kümmern konnte. Ursula Kissig kümmerte sich, aber die größte Kraftanstrengung zu Beginn ihres Engagements lag in der Begrüßung und Integration von vietnamesischen Flüchtlingen, der Boat People, die nach dem verlorenen Krieg der Amerikaner nicht unter einem kommunistischen Regime leben wollten. Mit ihrer Herzlichkeit organisierte sie gemeinsam mit vielen anderen Akteuren ein perfektes Willkommen und begleitete diese neuen Wedeler durch ihre Anfangsjahre. Das machte sie in der Gruppe so populär, dass Ursula Kissig seitdem einen festen Platz in den Herzen der damals Geflüchteten und deren Kinder und sogar Enkelkinder einnahm.
Seit Mitte der 70er Jahre war Ursula Kissig die Seele des DRK insbesondere der Tagesstätte in der Rudolf-Höckner-Straße. Jahr um Jahr stellte sie federführend ein spannendes, unterhaltsames, fröhliches, informatives Programm für die Montagsseminare auf die Beine - sie sorgte für viel schöne Stunden der Gemeinsamkeit für die Senioren. Sie fühlen sich gut aufgehoben und gemocht. Auch dadurch ist das DRK ein Stück Heimat von Wedel.
Auftakt der Seminarreihe war stets zum Halbjahresbeginn eine gemeinsame Pressekonferenz der Referenten, natürlich mit Kaffee, Schnittchen, Kuchen und ihrem Lächeln: "Nun greifen Sie mal ruhig zu..." Ursula Kissig und das DRK - das war bei einer Familie, wenn die Lieblings-Tante sich freute, sobald man zu Besuch kam und die einen dann ein bisschen verwöhnte.
Das Wirken für Kleiderkammer, Sozialstation, Blutspendedienst, als unermüdliche Spendensammlerin sowie als clevere "Headhunterin" wenn es galt, Kräfte für Vorstandspositionen zu gewinnen, brachte ihr offizielle Anerkennung ein. Bundesverdienstkreuz, Wedeler Ehrennadel, Gerhard-Stoltenberg-Medaille der CDU-Schleswig-Holstein - das sind einige Belege dafür, dass die Gesellschaft das Wirken von Ursula Kissig schätze. Bürgermeister Niels Schmidt sagte: "Mit ihrem Engagement für die Menschen in dieser Stadt und darüber hinaus hat sich Ursula Kissig ein Denkmal gesetzt. Das werden wir nicht vergessen."
Und darüber hinaus werde ich nicht vergessen, dass man nie ein scharfes Wort von ihr hörte. Mehr noch: Sie blieb auch dann noch freundlich, wenn Sie mal Anlass zu Ärger hatte. Ursulag Kissigs Mitgefühl und Freundlichkeit waren etwas ganz Besonderes.
Danke, Ursula Kissig.
(Jörg Frenzel/kommunikateam GmbH, 5.8.2017)